Clubs in der Krise

Das Nachtleben erlebt eine Krise, Beizen mit kleinen Bühnen und Musikclubs stecken zunehmend in Nöten. In Grossbritannien mussten letztes Jahr über Hundert Clubs aus finanziellen Gründen schliessen. Aus den USA, Deutschland und Skandinavien treffen im Wochentakt Meldungen über Schliessungen ein. In Australien haben seit der Pandemie rund ein Drittel aller kleinen und mittelgrossen Musikclubs ihren Betrieb eingestellt. Hier in meiner Heimatstadt Bern sorgten in den letzten Monaten gleich drei stadtbekannte Lokale mit finanziellen Problemen für Schlagzeilen.

Steigende Kosten für Strom und Mieten, die wirtschaftliche Lage sowie die Nachwehen von Corona werden hauptsächlich für den Niedergang der Clubszene verantwortlich gemacht. Der Gen Z steht ein breiteres Angebot für den Ausgang zur Wahl, aber viele verfügen über weniger Einkommen, das sie ausgeben können. Neue Player wie Pop-up-Bars sorgen für zusätzliche Konkurrenz und die Zoomer leisten sich Tickets für immer teurere Grosskonzerte von exklusiven Stars wie Taylor Swift. Ganz zu schweigen von teuren Handys oder Markenklamotten. Dieses Geld fehlt dann für den Ausgang. Infolgedessen sind sie wählerischer in Bezug auf ihr Nachtleben und greifen auf andere, kostengünstigere Möglichkeiten zurück, um sich zu treffen wie z. B. ein Abend im Freundeskreis zuhause oder online auf Social Media.
Zudem beobachte ich, dass die Gen Z Entscheidungen viel bewusster trifft. Die Gen Z kehrt den Clubs zunehmend den Rücken zu, weil ihnen das Clubbing-Erlebnis nicht zusagt. Details spielen eine wichtigere Rolle. Übertriebene Eintrittsgebühren, unfreundliche Türsteher, restriktive Hausregeln («Handys verboten»), ein langweiliges Publikum oder gewalttätiges und übergriffiges Verhalten im und vor dem Lokal wirken abschreckend. Die Gen Z trinkt zudem deutlich weniger als ihre Vorgänger. Internationale Studien zeigen, dass fast die Hälfte aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen keinen Alkohol mehr anrührt. Das Segment der No- und Low-Alcohol-Getränke freut sich einer steigenden Beliebtheit. Ein gesunder Lebensstil und Selbstoptimierung sind vielen jungen Menschen wichtig. Da passen durchzechte Nächte und wenig Schlaf schlecht ins Konzept.

Für die Clubs ist dies eine grosse Herausforderung, denn der Treibstoff des Nachtlebens ist traditionellerweise Bier. Es ist schnell gezapft und man kann es mit einer grossen Marge abverkaufen. Zudem erhalten die Clubs von den Bierherstellern zusätzliche Einnahmen und Vergünstigungen, beispielsweise durch finanzielle Kickbacks oder kostenfreies Verbrauchsmaterial wie Gläser.
Wenn der Bierkonsum sinkt, trifft dies den Clubbetrieb im Kern. Besonders betroffen sind davon kleinere Clubs mit einer Kapazität bis zu 500 Personen. Konzerte in dieser Grössenordnung sind im besten Fall kostendeckend, das Geld wird mit Partys verdient. Doch wenn das Publikum ausbleibt und weniger konsumiert wird, versiegt auch diese Einnahmequelle rasch. Das hat direkte Auswirkungen auf die lokalen Musikszenen. Wenn die kleinen Lokale schliessen müssen, wird es für Nachwuchsbands zunehmend schwierig, irgendwo aufzutreten.

Gefordert sind jetzt einerseits die Clubbetreiber*innen: Sie müssen innovative Partykonzepte und neue Ideen entwickeln, um die Gen Z zurück in die Clubs zu holen. Dazu gehört insbesondere auch eine Social Media Strategie, die auf einen Dialog mit der Zielgruppe setzt und TikTok, Instagram und Co. nicht als blosse Marketingkanäle betrachtet. Dass es auch anders laufen kann, zeigt sich beispielsweise gerade in Newcastle. Ausgerechnet in der von Deindustrialisierung und ökonomischer Krise arg gebeutelten nordenglischen Stadt sorgt ein Netzwerk aus lokalen Clubs, Plattenlabels, DJ-Kollektiven und Musiker*innen mit viel Eigeninitiative und DIY spirit für eine lebendige Clubkultur. Die lokale Szene ist on- und offline sehr gut vernetzt, unterstützt sich gegenseitig und hilft sich mit Knowhow und technischem Equipment aus. Trotzdem mussten auch in Newcastle ein paar Clubs und Pubs schliessen. Das grosse Clubsterben ist aber bislang ausgeblieben.

Frank Lenggenhager